Interview mit AFOL Bri

Bri

Ich heiße Bri und verwende die Pronomen sie/ihr. Ich bin Senior Network Engineer, Gelegenheitsfotografin und -Digitalkünstlerin, LGBTQIA*-Verfechterin, Reisefan und AFOL (Adult Fan of LEGO®)!<br>

Erzähl uns ein bisschen über die AFOL LGBTQIA* Community. Was hat es dir persönlich gebracht, Teil dieser Gruppe zu sein?

Meinen Erstkontakt mit der AFOL-Welt hatte ich auf einer Geschäftsreise in eine Gegend, von der ich wusste, dass es dort ein paar tolle LEGO User Groups (LUG) gab. An dem Wochenende, als ich dort war, hatte ich nicht viel zu tun. Zufälligerweise fand dort gerade das monatliche LUG-Treffen statt, also ging ich kurzerhand hin. Anfangs setzte ich mich einfach still in eine Ecke, schließlich kannte ich ja niemanden. Doch ich wurde schnell von der FabuLUG-Gruppe adoptiert, die ein kleiner Zusammenschluss von LGBTQIA*-Leuten war, die größtenteils auch an den anderen LUG-Treffen teilnahmen. In diese LGBTQIA*-Familie aufgenommen zu werden, bedeutete für mich den Eintritt in eine wundervolle, kreative Welt. Ein LUG/FabuLUG-Mitglied schlug mir sogar vor, in meiner Gegend eine eigene LUG zu gründen.

Welche Rolle könnten Unternehmen deiner Meinung nach bei der Unterstützung der LGBTQIA* Community spielen?

Gute Frage. Ich möchte das mal etwas provokant formulieren. Einerseits konnte man ja sehen, wie manche Unternehmen ihre Beteiligung am Pride Month dazu genutzt haben, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Man nennt das auch „Rainbow Washing“. Da denke ich immer: Klar, wenn es um eine große Party geht, seid ihr dabei. Aber wo wart ihr während der AIDS-Krise? Wo wart ihr beim Kampf für die gleichgeschlechtliche Ehe? Und wo wart ihr, als die Dinge noch viel schwieriger waren als heute? Ich möchte, dass die Menschen und die Unternehmen sich über solche Dinge Gedanken machen, bevor sie sich mit uns alliieren.

Andererseits ist das Leben auch heute noch nicht einfach, und wir brauchen so viele Alliierte wie möglich. Deshalb sage ich: Danke, dass ihr da seid! Ich würde aber erst einmal fragen, ob die Unterstützung von LGBTQIA*-Mitarbeitern und -Kunden tatsächlich in der Unternehmenspolitik verankert ist. Wird auf Arbeitnehmerseite zum Beispiel eine umfassende Gesundheitsversorgung für Transgender unterstützt? Inwieweit achtet man auf die psychische Gesundheit der Belegschaft? Verstehen die Mitarbeiter des Gesundheitsschutzes die Bedürfnisse der LGBTQIA* Community wirklich so gut, dass sie Hilfestellung leisten können und Kränkungen vermieden werden? Werden LGBTQIA*-Menschen eingestellt, damit sie an LGBTQIA*-Kampagnen und der LGBTQIA*-Integration arbeiten können? Unterstützt man auf Kundenseite die LGBTQIA* Community mit den Produkten, die man baut? Stellt man sich beim Kampf um Gleichberechtigung öffentlich an die Seite der LGBTQIA*-Organisationen? Werden LGBTQIA*-Organisationen finanziell und substanziell unterstützt, die für den Bereich, in dem das Unternehmen tätig ist, von Nutzen sein könnten? Unterstützt man LGBTQIA* auf eine umsichtige, bewusste Weise, oder versucht man nur, ein Produkt mit einem aufgedruckten Regenbogen herauszubringen, weil man das im Juni nun einmal so macht? Zeigt man nicht nur im Juni, sondern das ganze Jahr über Flagge?

Zusammenfassend würde ich also sagen, dass es viele Möglichkeiten gibt, wie sich Unternehmen für Gerechtigkeit und Inklusion in der Welt einsetzen können.

Auf welche Arten drückst du dich kreativ aus?

Für mich ist das Bauen mit LEGO Steinen in letzter Zeit zu einer Art Meditation geworden. Ich bin ein Mensch mit Geschlechtsdysphorie, was sich oft in Form von Angstzuständen und Depressionen äußert. Das Bauen mit LEGO Steinen nutze ich als Mittel, um den Kopf klar zu bekommen. Das Meditieren im Sitzen fällt mir sehr schwer. Ich weiß, dass ich daran noch arbeiten muss, aber aktive Formen der Meditation wie Gehen oder Wandern – oder LEGO Sets bauen – liegen mir einfach mehr. Wenn ich LEGO Steine zusammensetze, macht das meinen Kopf frei. Für mich hat es etwas unglaublich Beruhigendes, ein LEGO Set zusammenzubauen. Ich kann sicher sein, dass alle Teile vorhanden sind, die ich brauche. Ich muss nur der Anleitung folgen, und alles wird sich fügen. Alles wird gut.<br>

Was bedeutet dir der Pride Month, und wo und wie feierst du ihn dieses Jahr?

Bei uns findet der CSD immer im Oktober statt. Schwer zu sagen, wie es dann in Bezug auf COVID aussehen wird, aber ich hoffe, dass wir uns nicht virtuell treffen müssen und ich alle meine Freund*innen in die Arme nehmen kann! Diesen Juni werde ich wahrscheinlich hauptsächlich an virtuellen Veranstaltungen teilnehmen.

Der Pride Month ist für mich eine Zeit, in der man sich zeigen kann. Sehr lange habe ich mich nämlich vor der Welt versteckt. Ich bin nicht stolz darauf, aber habe geglaubt, nur so überleben zu können. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Außenwelt die wahre Bri akzeptieren würde. Irgendwann kam ich aber an den Punkt, an dem ich mich nicht mehr vor der Welt verstecken konnte. Der Schmerz darüber, dass ich mich noch nicht geoutet hatte, war größer als die Angst davor, alles in meinem Leben zu verlieren. Also outete ich mich Stück für Stück und nach meinen eigenen Regeln. Und zu meiner großen Überraschung (und zum Glück) ist fast jeder immer noch in meinem Leben. Ich habe viel über meine Vorbilder und Trans-Vorbilder nachgedacht, und wie sie mir den Weg geebnet haben. Doch nicht jeder LGBTQIA*-Mensch kann sich outen. Jeder muss sich selbst so gut wie möglich schützen. Ich bin aber sehr froh, mich geoutet zu haben, und stolz darauf, jetzt für all die Leute sichtbar sein zu können, die das selbst momentan noch nicht können.