Wir stellen vor: die fantastische Women’s Brick Initiative

Wir stellen vor: die fantastische Women’s Brick Initiative

Alles begann damit, dass sich die US-Amerikanerin Alice Finch eine simple Frage stellte: „Wo stecken eigentlich all die anderen weiblichen LEGO Bauer?“

Alice hatte schon als Kind mit LEGO Steinen gespielt und später – beeinflusst durch ihren Vater, der in der Baubranche tätig ist, – eine Liebe zur Architektur entwickelt. Schon geraume Zeit hatte sie mit dem Gedanken geliebäugelt, irgendein Gebäude mit LEGO Steinen nachzubauen. Ihre Wahl fiel schließlich auf eine ganz eigene Version von Schloss Hogwarts™. Allerdings hätte sie nie damit gerechnet, dass sich das Ganze als wahres Mammutwerk entpuppen sollte.

„Hogwarts war das allererste Modell, das ich als Erwachsene gebaut habe“, erzählt Alice. „Normalerweise bestehen Erstlingswerke aber nicht aus 400.000 Steinen!“

Alice leitet den Hong Kong Workshop für Frauen

In mühevoller Kleinarbeit stellte Alice Hogwarts genauso nach, wie es in den Büchern beschrieben wird, und postete anschließend Fotos ihres Werks, die innerhalb von kurzer Zeit bereits millionenfach geklickt wurden.

Weil ihre Hogwarts-Version so gut ankam, wurde sie irgendwann dazu eingeladen, ihre Kreation auf LEGO Ausstellungen und Conventions in den USA zu zeigen. Und dort fiel ihr „das Problem“ erstmals auf.

„Manchmal kam es vor, dass Paare gemeinsam vor meinem Werk standen und die Freundin/Partnerin/Ehefrau sagte: ,Siehste, ich hab dir doch gesagt, dass Frauen auch bauen.‘ Oder dass der Freund/Partner/Ehemann sagte: ,Siehste, ich hab dir doch gesagt, dass Frauen auch bauen.‘“

Ihre Begegnungen auf den Veranstaltungen machten Alice sehr schnell zwei Dinge klar: Es gab tatsächlich viele Frauen, die sich an allen Phasen des LEGO Bauens beteiligten, doch leider waren sie überhaupt nicht miteinander vernetzt. Jede einzelne hatte das Gefühl, die einzige LEGO Bauerin auf der ganzen Welt zu sein.

Alice glaubte allerdings – genauso wie wir – an die Kraft der Kreativität und machte sich voller Elan daran, eine Lösung für dieses Problem zu finden.

Kurze Zeit später gründete sie die Women’s Brick Initiative (WBI), eine Organisation, die LEGO Bauerinnen zusammenbringen, ihre Interessen vertreten und sie darüber hinaus inspirieren, fördern und stärken soll.

Inzwischen hat die WBI Mitglieder auf der ganzen Welt und vergrößert nicht nur ständig ihre Reichweite, sondern setzt sich auch immer wieder neue Ziele. Ganz allein hätte Alice das alles aber natürlich nicht geschafft.

Kreativitätsförderung ist der Schlüssel

„Ich bin Ingenieurin, und bei mir greifen deshalb [LEGO] Hobby und Beruf wunderbar ineinander“, erklärt Megan Lum, eine erfolgreiche Ingenieurin, die auf eine 20-jährige Karriere in großen Unternehmen zurückblicken kann und Teil des Führungsteam der WBI ist.

In Bezug auf den Frauenanteil sieht Megan große Parallelen zwischen ihrer Branche und der LEGO Welt.

„Auch im Ingenieurswesen sind Frauen unterrepräsentiert. Es gibt nur etwa 15 % weibliche Ingenieure. Auf LEGO Conventions sieht es diesbezüglich sehr ähnlich aus.“

Megan glaubt, dass die frühzeitige Förderung weiblicher Kreativität im Kindesalter ein Schlüssel zur Lösung des Problems sein könnte. Und dass eine verstärkte Beschäftigung mit LEGO Sets dazu beitragen könnte, dass sich der Frauenanteil in Berufen der MINT-Gruppe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) erhöht.

„Als Kind wird man ständig gefragt, was man später werden möchte. Wenn man Mädchen schon früh spielerisch an Technik und Baukunst heranführen würde, würden sie daraus später vielleicht auch einen Berufswunsch ableiten.“

Dementsprechend hat sich die WBI zum Ziel gesetzt, Frauen nicht nur miteinander zu vernetzen, sondern auch auf allen Ebenen sichtbarer zu machen.

Alice spricht auf dem Workshop in Hong Kong

„Unser Schwerpunkt liegt darauf, Frauen auf unterschiedliche Arten in ihrem Hobby zu unterstützen. Manchmal ist alles, was man dazu braucht, ein Ort, an dem man zusammensitzen und reden kann“, berichtet Alice.

Die WBI veranstaltet regelmäßig Bau-Workshops und Wettbewerbe, um die Kreativität der Mitglieder zu fördern und ihnen einen Raum zu bieten, in dem sie sich treffen und austauschen können.

2019 hat die WBI im dänischen Skærbæk einen Schmuck-Workshop veranstaltet

Diese kreativen Workshops haben schon so einiges bewirkt. Besonders im Fall von Kelly Bartlett, einer aufstrebenden Baumeisterin, die auch Mitglied in der WBI ist. Kelly hat nämlich kürzlich mit ihrem Werk Emergence, das zurzeit in den dänischen LEGO Büros ausgestellt ist, einen LEGO Art Contest gewonnen. Sie ist Biologielehrerin und mit LEGO Sets und viel Kreativität um sich herum aufgewachsen.

„Ich komme aus einer Familie, in der es bezüglich des Spielzeugs keine geschlechtsspezifischen Erwartungen gab“, erzählt Kelly. „Bei meinen Eltern konnte jeder mit jedem Spielzeug spielen, Rollenklischees blieben außen vor. Wenn ich mich mit meinen LEGO Sets beschäftigt habe, kam mir deshalb überhaupt nicht in den Sinn, dass das vielleicht ein Jungs-Spielzeug sein könnte.“

Kelly ist sich sicher, dass sie Fähigkeiten, die sie heute in ihrem Beruf einsetzt, teilweise nur deshalb besitzt, weil sie als Kind zum kreativen Spiel ermuntert wurde.

Die Kraft des kreativen Spiels

Es gibt allerdings neben dem Spaß, der Kreativität und der Ausbildung von praktischen Fähigkeiten noch weitere, sehr wichtige Aspekte des Spielens. So profitiert die philippinische Anwältin Inez Vasquez zum Beispiel noch auf einer ganz anderen Ebene.

„Ich nutze LEGO Steine hauptsächlich zum Stressabbau, denn die Arbeit als Anwältin ist ziemlich anstrengend“, erklärt Inez.

Anfangs baute Inez ganz alleine. Irgendwann entstand in ihr aber das Bedürfnis, andere kreative Frauen kennenzulernen, die ihre Leidenschaft teilten. Deshalb gründete sie eine eigene LUG (LEGO User Group), die später der WBI angegliedert wurde. Sie ist inzwischen zahlenmäßig stark angewachsen und spricht eine immer buntere Schar an Menschen an.

Inez (links) auf dem Japan Brick Fest 2019

„Bei uns stehen Frauen und weibliche Bündnisse im Mittelpunkt. Aber natürlich sind auch gleichgesinnte Männer und Angehörige der LGBTQI*-Community willkommen. Wir sind offen für alle, die zu einer größeren Diversität innerhalb der LEGO Community beitragen möchten.“

„Alle“, das bedeutet Menschen jeden Geschlechts, jeder Ethnie und Rasse und – ganz wichtig – jeden Alters.

Patty Sherin nutzt das kreative Spiel mit LEGO Steinen in ihrer Arbeit mit Senioren, insbesondere mit Demenzkranken. Mitglied in der WBI ist sie vor allem wegen des Gemeinschaftsgefühls geworden, und sie empfiehlt allen Erwachsenen, die sich für LEGO Steine interessieren, es ihr gleichzutun.

„Es ist einfach das Beste, was es gibt“, erzählt Patty. „Wenn man Teil der LEGO Community wird, findet man dort viele Gleichgesinnte, und das ist einfach ein tolles Gefühl.“

Hier werden nicht nur LEGO Steine miteinander verbunden

Die WBI bei der Bricks Cascade im Jahr 2020

In der WBI stehen Kreativität, Gemeinschaft und Diversität stets an erster Stelle. Vermutlich ist die Mitgliederzahl auch darum so schnell gewachsen. Ob jung oder alt, ob LEGO Sets oder eigene Kreationen, ob kleine Blume oder riesiges, 400.000-teiliges Schloss – in der Women’s Brick Initiative findet man eine Gemeinschaft, Akzeptanz und Menschen, die ihre LEGO Leidenschaft mit anderen teilen möchten.

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